Hm. Ich habe bei meiner Bücherbegiftungsaktion im Sommer festgestellt, dass ich den "Schattenbund" in der sehr hübschen Bastei-Lübbe-Ausgabe im Regal stehen habe ... und zwar abgebrochen irgendwo in Band 1. Ich denke, dass ich jetzt weiß, warum ich nicht weitergelesen hatte. Dabei erinnere ich mich, damals "Aurian" und die Folgebände begeistert verschlungen zu haben (wobei, hatte das jemals ein ordentliches Ende? Wahrscheinlich ist es kein gutes Zeichen, dass ich das vergessen habe; allerdings ... könnten das auch bei mir fast 30 Jahre sein ...).
In sehr guter Erinnerung habe ich aber das, wofür ich jetzt schamlos Werbung mache, weil ich das Vergnügen hatte, Maikes neues Buch zu lesen, das man wohl fast als Novelle bezeichnen kann, sowohl von der Länge her als auch, weil es Rahmen- und Binnenerzählungen hat. Hier also meine Gedanken zu:
Maike Claußnitzer: Oktoberperlen
Zunächst einmal: Während man die meisten früheren Geschichten von Maike Claußnitzer rund um ihre üblichen Hauptfiguren Herrad, Wulfila, Wulf und Ardeija voraussetzungslos einzeln lesen kann, ist dies bei den "Oktoberperlen" meines Erachtens nicht der Fall. Oder zumindest sollte man es nicht, denn es würden einem eine Reihe wunderbarer, witziger und berührender Details zwar nicht entgehen, aber man würde ihre wahre Bedeutung verpassen. Und das wäre mehr als schade. Wer nun meint, dass einen dieser Hinweis abschrecken sollte: Das Gegenteil ist der Fall! Es ist eine Ermunterung, zumindest den "Torfschuppenmord" vorher zu lesen, um die neue Szenerie in Castra Nova und die neu zusammengefundene Figurenkonstellationen zu schätzen zu wissen.
"Oktoberperlen" ist aus der Perspektive von Ivar erzählt und erlaubt so einen weiteren Blick tief in seine Seele und Persönlichkeit, und dank des herrlich trockenen Humors, der mit Ivars zurecht gefürchtet scharfer Beobachtungsgabe einhergeht, wird diese Geschichte niemals langweilig. Durch Ivars Augen entdeckt man Dinge, die einem sonst vielleicht entgangen wären, und es ist einfach wunderschön, wenn Ivar von den Leuten berichtet, die ihm am meisten bedeuten - ob sie es nun wissen oder nicht, so wie er selbst erst lernen musste, dass auch er allein schon um seiner selbst willen sehr geschätzt wird und nicht nur wegen seiner beeindruckenden Fähigkeiten, die (hier irrt sogar einmal Ratte) keineswegs gelitten haben unter den schweren Zeiten, die Ivar kürzlich durchmachen musste. Es haben sich nur seine Sichtweise und Prioritäten etwas verändert, was ihn Verständnis aufbringen lässt für einen, der seiner Familie einmal viel Unglück beschert hat, ohne sich je zu verantworten.
Die Geschichte lässt Personen aus der bewegten Vergangenheit von Ivar und seinem Bruder Gorm auftreten, aber auch aus Wulfs, und auch jene liebgewonnenen Figuren, die hier einmal nicht die Hauptrolle spielen, kommen zum Zuge und sorgen für überraschende Wendungen. Während Ivar so manches Rätsel löst - womit nicht allen Beteiligten so wohl ist -, werden einige lose Fäden aus anderen Geschichten aufgegriffen und miteinander verwoben. Dass dafür einzelne Erzählungen, die auch aus anderer Perspektive Ereignisse der Vergangenheit beleuchten, mit der Hauptgeschichte verschachtelt werden, macht einen besonderen Reiz der "Oktoberperlen" aus, und es freut einen immer wieder, wenn man eine neue Einzelheit entdeckt, die an Früheres anknüpft, sich ins Bild fügt und einem verrät, wie es etwa mit einer Figur aus einer anderen Kurzgeschichte weiterging. Und was für eine Art Zaubermantel Asri sich eigentlich angefertigt hat.
Insgesamt ist "Oktoberperlen" eine tief berührende Liebesgeschichte, aber auch eine über Familienbande und Freundschaften, vor allem aber darüber, dass auch erfahrenes Unheil das Leben zum Besseren zu verändern vermag, sobald man einmal das Wichtigste versteht: die Bande, die sich zwischen den Beteiligten gebildet haben, und die, wenn es die richtigen Leute sind, nie schwächer werden, sondern nur stärker.
Und bevor ich weiterplappere einfach der Hinweis: Lest das Buch! Es lohnt sich!